Interview mit norwegischen U20-Nationalspielerinnen Andrine Stolsmo Hegerberg und Ada Stolsmo Hegerberg
23.August 2012
Wir wollen in der besten Liga spielen
Zunächst erst mal vielen Dank für Eure Bereitschaft zu diesem Interview. Und Ada, nachträglich herzlichen Glückwunsch zur Toppserien-Auszeichnung „beste junge Spielerin des Jahres 2011“ – was war für Dich persönlich der schönste Moment bei der Auszeichnung?
Ich bin sehr stolz über die Auszeichnung. Dies hier ist eine tolle Veranstaltung und die Tatsache, den Preis vor einem Publikum von Fußballexperten überreicht bekommen zu haben, ist eine besondere Erfahrung für mich. Diese Auszeichnung bedeutet für mich, dass ich mich an den besten Spielerinnen messen kann.
Andrine, warst Du überrascht, dass Ada die Auszeichnung gewonnen hat?
Nein, nicht wirklich. Ada hat letztes Jahr eine großartige Saison gespielt, in der sie sich als unschlagbare Torschützin mit einem Killerinstinkt auszeichnete. Während ich bei anderen Spielerinnen manchmal Angst in den Gesichtern sehe, ist sie absolut sicher und stark.
Bitte erzählt uns ein bisschen über Euch. Wenn man euch beim Fußball spielen zusieht, erkennt man gleich euer großes Talent.Wann habt Ihr mit dem Fußballspielen begonnen?
Andrine: Ich habe schon in jungen Jahren Spaß am
Fußballspiel gefunden. Eigentlich kann ich mich nicht daran erinnern, wie alt ich damals war, aber meine Mama hat in einem Büchlein einige Begebenheiten aufgeschrieben, wie ich im Garten hinterm
Haus mit meinem Ball herum getollt bin. Meine Mama macht sich immer einen Spaß daraus zu sagen, dass ich früher Fußball spielen als laufen konnte.
Bis 2007 habe ich in einer Knabenmannschaft gespielt, wobei das gemeinsame Spiel mit anderen Mädchen damals gar nicht zur Debatte stand. Ich
liebte die Herausforderung und entwickelte mich zu einer richtigen Fußballspielerin, ohne dass ich mir jemals Gedanken über das Leistungsniveau von Mädchen machte.
2007 zogen wir nach Kolbotn, etwas außerhalb von Oslo, wo wir dann begannen, für Kolbotn in der Toppserie-Mannschaft / Spitzenmannschaft zu
spielen.
Sowohl meine Mama als auch mein Papa haben zu ihren Zeiten selbst Fußball gespielt und waren Trainer. Tatsächlich hat unsere Mama für Trondheims-ørn gespielt und war zwei Jahre hintereinander deren beste Torschützin. Unser großer Bruder hat auch Fußball gespielt. Wir sind also eine absolute Fußball-Familie, in der Fußball zum täglichen Leben gehört. Alle drei sind zu unseren Spielen gekommen und Mama und Papa beobachteten uns ganz genau. Immer wieder gaben sie uns kleine Tipps, damit wir uns verbessern konnten, so dass ich sagen kann, dass sie definitiv der Schlüssel zu unserem Erfolg gewesen sind.
Ada: Als ich noch ganz jung war, habe ich mich kaum für Fußball interessiert, sondern hing in der Gegend herum, während meine Geschwister Fußball spielten. Aber irgendwie hat es mich dann doch gepackt und ich stellte fest, dass Fußball mein Ding war. Ich spielte auch in einer Jungenmannschaft, in der wir einen guten Spieler im hinteren Feld hatten, der immer wieder in Ballbesitz kam und ihn dann zu mir nach vorne schoss, wo ich die meisten Tore erzielte. Im Jahr 2009 ging ich zu Kolbotn, wo ich 2010 mein Debüt in der ersten Mannschaft hatte und meine ersten zwei Tore im Pokalspiel gegen Sarpsborg erzielte; damals war ich vierzehn Jahre alt.
2011 hatte ich meine erste vollständige Saison in der ersten Mannschaft von Kolbotn. Ich wurde zur Torschützenkönigin, Kolbotn errang in der Liga eine Bronzemedaille und erreichte das Halbfinale im Pokalspiel. Und meine Aufgabe war es immer, Tore zu schießen.
Vor Weihnachten 2011 seid ihr zum Stabæk FK gewechselt. Aus deiner eigenen Sicht, wo habt ihr euch in diesem Zeitraum weiterentwickeln können?
Ada: Für uns war es eine folgerichtige Entscheidung nach Stabæk zu gehen, weil wir glaubten, dass dort der Wettbewerb auf einem höheren Niveau als in Kolbotn ausgetragen wurde, was zu unserer Entwicklung beitragen würde. Stabæk hat auch organisatorisch die Nase vorn, so dass wir uns 100%ig auf das Spiel konzentrieren können.
Andrine: Wir haben beide sehr hohe Erwartungen an uns und unser Team. Wir wollen immer die Besten sein. In Kolbotn sahen wir keine Möglichkeit für uns auf ein höheres Niveau entwickeln zu können, so wie wir es uns vorstellten. Stabæk bot da viel mehr. Unsere Zeit in Kolbotn war großartig, aber wir haben unseren Wechsel nach Stabæk nie bereut.
Nun ein kleiner Rückblick auf die letzte Saison bei Kolbotn: Eure damalige Mannschaft war nach dem Saison-Start sehr enttäuscht und hat doch am Ende noch einen hervorragenden 3.Platz „Bronze-Medaille“ erreicht. Habt ihr von diesem Erfolg nicht erwartet?
Andrine und Ada: Nein, das haben wir nicht erwartet. Wir haben einen großen Kader, während des Trainings haben sich einige Spielerinnen Verletzungen zugezogen, doch es ist uns gelungen, ein Medaillenteam aufzustellen. Wir haben sehr gut gespielt und die besten Mannschaften der Liga geschlagen, allerdings auch einige Punkte durch Niederlagen gegen schwächere Mannschaften abgeben müssen. Nach unserem schlechten Auftakt in die Saison ist es schwer Meister zu werden.
Ada, Du erreichtest die unglaubliche Zahl von 22 Toppserien-Treffern (nach 15 Spieltagen) und führst zurzeit die Torschützenliste der Toppserien an. Hast Du das nicht erwartet? (Siehe Torschützenliste)
Ich habe es nicht erwarten, doch angestrebt. Ich trainiere seit Jahren hart und detailorientiert. Man bekommt in jedem Spiel seine Chancen und diese gilt es zu nutzen. Umso mehr Tore ich erziele, umso besser ist es für Stabæk.
Nun zur U20-Weltmeisterschaft in Japan – Andrine und Ada, die Weltmeisterschaft beginnt in zehn Tage. Wie groß war die Euphorie in Eurem Team nach der erfolgreichen U19-Europameisterschaft 2011?
Andrine: Die U19-Europameisterschaft 2011 war eine tolle Erfahrung. Bis auf das lausige Finale haben wir als Mannschaft sehr gut gespielt und ich würde behaupten, dass unsere Spiele gegen Spanien und Holland unsere bisher beste Leistung als Mannschaft überhaupt waren. Wir hatten eine starke Defensive, die den anderen Mannschaften kaum Chancen ließ, und schafften es gleichzeitig effektiv Fußball zu spielen. Das Finale war jedoch eine riesige Katastrophe für uns. Die zweite Hälfte war brutal für uns; wir ließen viele Tore durch und machten selber wenige oder gar keine.
Nach einiger Zeit waren wir aber sehr glücklich und stolz auf unsere Leistung, die uns immerhin die Silbermedaille beschert hat.
In diesen Meisterschaften findet man heraus, wo man sich gerade auf internationaler Ebene befindet. Jeder Aspekt des Spiels wird getestet. Deine Geisteshaltung, Konstitution und Fähigkeiten; sowohl als Individuum als auch als Mannschaft.
Ada: Im ersten Spiel war ich nicht Teil der regulären Mannschaftsaufstellung. Das
änderte sich jedoch ab dem Zweiten. Ich glaube, dass ich mich während des Turniers auf internationaler Ebene etabliert habe. Bis zum Finale haben wir gut und effektiv Fußball gespielt. Im Finale
war einfach unsere Kraft weg und die zweite Hälfte wurde zur Katastrophe.
Aber wir können nicht zulassen, dass das Finale die guten Ergebnisse während der restlichen Meisterschaft überschattet.
Was bedeutet es für euch persönlich an einer U20-WM teilzunehmen?
Ada: Es bedeutet viel, die besten U20-Spieler der Welt zu treffen und gegen sie anzutreten. Wenn wir den Erfolg des letzten Jahres wiederholen könnten, wäre das toll.
Andrine: Ich finde es wichtig, sich für Meisterschaften zu qualifizieren; besonders als Fußballspielerin. Wie viele bereits wissen, sind die finanziellen Aspekte des Frauenfußballs nicht mit denen des Männerfußballs vergleichbar, zumindest nicht in Norwegen. So ist es die innere Motivation, die uns antreibt, nicht die Motivation, den nächsten Bonus zu erhalten oder im Fernsehen aufzutreten usw. Wir haben eine echte Leidenschaft für das Spiel.
Die Teilnahme an der U20-Frauen-Weltmeisterschaft ist eine riesige Motivation für uns!
Für viele von uns ist dies die erste WM-Teilnahme und somit eine neue Erfahrung.
Neue Gegner, neues Land, neue Kulturen, Live-Übertragungen und so weiter. Wir müssen uns auf jede Situation vorbereiten.
Fußball auf einem höheren Niveau zu spielen ist natürlich auch eine Motivation. In den letzten Monaten haben wir äußerst bewusst auf jedes Detail unserer Arbeit geachtet – Training, Ernährung, Schlaf, usw. Jeder Aspekt unseres Spiels muss optimal sein.
Wie beurteilt ihr die norwegische Gruppe mit Nordkorea, Kanada und Argentinien?
Andrine: Schwer zu sagen. Auch hier begegnen wir wieder einer neuen Herausforderung. Wir haben noch nie gegen eine dieser Mannschaften gespielt. Da wir jetzt an einer WM teilnehmen, ist jede Mannschaft auf einem hohen Niveau. Jeder Gegner ist ein starker Gegner. Wir konzentrieren uns darauf, so wie immer zu spielen, und in jedem Spiel 3 Punkte zu holen.
Ada: Wir wissen nicht viel über sie, aber wir betrachten jede Mannschaft als ernst zu nehmenden Gegner und wir müssen unser Bestes tun, um in jedem Spiel 3 Punkte zu erzielen. Zunächst einmal müssen wir uns darauf konzentrieren die Qualifikationsrunden zu überstehen.
Worauf freut ihr euch bei der U20-WM am meisten? Was erwartet ihr vom Turnier?
Andrine: Ich freue mich darauf, vor einem großen japanischen Publikum zu spielen. Das wird mich enorm inspirieren.
Ich denke nicht so viel über die Endergebnisse nach. Wir sind da, um 100% zu geben, sowohl auf als auch abseits des Spielfeldes. Wenn wir gute Leistung bringen, werden gute Ergebnisse folgen.
Ada: Ich habe hohe Erwartungen, sowohl an mich selbst als auch meine Mannschaft
und die Aufstellung.
Ich hoffe, wir schaffen es auf hohem Niveau zu spielen, und weit zu kommen. Wir kennen unsere Fähigkeiten und jetzt ist die Zeit gekommen, sie dem Rest der Welt zu
zeigen.
Ich hoffe auch, es wird viele Zuschauer und eine tolle Atmosphäre geben!
Nun noch eine letzte Frage: Ihr habt mit eurem Ex-Klub (Kolbotn) dreimal in Folge Toppserien-Bronze-Medaille geholt und mit der norwegischen Nationalmannschaft bei der U19-Europameisterschaft 2011 in Italien das Finale erreicht. Welche Träume habt ihr für eure weitere Karriere?
Andrine und Ada: Um ehrlich zu sein, wollen wir in der besten Liga spielen und diese sehen wir zur Zeit in der Deutschen Bundesliga.
Nochmals vielen Dank. FFN-Team wünscht euch viel Erfolg!